Für mich stehen die Arbeiten unter MERK- würdig’, sagt die Künstlerin, wobei sie darunter nicht ‚seltsam’ versteht, wie dies in unserem Sprachgebrauch eher üblich geworden ist, sondern, dass sie sie als ‚würdig zu merken’ findet.

Das impliziert WÜRDE und MERKEN, also etwas, das Würdigung verdient und damit zum ge-merkt werden anregt.


Würde wird Personen oder Gegenständen zugeschrieben, manchmal auch Begebenheiten, die einfach zu-fallen. Be-merkenswert müssen sie jedenfalls sein, damit sie herausragen. Im Falle Edmunda Hartmanns, um malerisch oder fotografisch festgehalten zu werden.


Es sind vor allem stille poetische Situationen, die auf Zeichen reduziert zum Bildinhalt werden. Strukturen in denen sich die Künstlerin spiegelt und ihr Umfeld reflektiert. Mit Öl und Eitempera, Harzen und Grafit auf selbstbespannten und -grundierten Leinwänden erinnert. Wenn es der Auseinandersetzung besser gerecht wird, greift sie auch zur Kamera und die Resultate sind eigenständiges Werk, nicht Ergänzung oder Vorlage der Malerei.


Wie sie Gotthold Ephraim Lessing zitiert: Dasjenige aber nur allein ist

fruchtbar, was der Einbildungskraft freies Spiel lässt.“


Welch ein Bekenntnis!

Eines mit dem sie sich aussetzt und angreifbar macht.

Je nach Zustimmungsgrad:

- Angreifbar im Sinne von Attacke.

- Angreifbar im Sinne von zärtlicher Berührung. Zuspruch.


Aber damit gibt sie auch etwas preis, mit dem ein Gegenüber etwas anfangen, sich auseinander setzen kann. Und wie in der Reduktion in ihren Arbeiten läßt Edmunda Hartmann allen genügend Raum, eigene Erfahrungen einzubringen.


Im MEHR-DEUTBAREN.


Manche Kulturen verbieten deshalb das schriftliche Festhalten ihrer Mythen, um deren Erstarrung zu vermeiden. Im Weitererzählen von Generation zu Generation werden sie fortwährend an neue Gegebenheiten angepasst, bleiben lebendig.


Edmunda Hartmann geht in den Arbeitsgängen ihrer Bildserien ähnlich vor. Oft bleibt nicht viel von den ersten gesetzten Strukturen auf der Leinwand übrig, wenn sie am Ende des Prozesses ankommt. Da und dort eine subtile Andeutung in den zarten, flirrenden Oberflächen.

Die Welt drinnen in den Malereien ist nun leise und weit, weit fort.

Neuorientierung wird da verlangt. Ein Hinterfragen von Zuständen. Von MEHREREN BEDEUTUNGEN.



Alfred Graf

Februar/November2006